Monat: September 2022

Aufgabe des Familienheims aus zwingenden Gründen führt nicht zum Wegfall der Steuerbefreiung

Ein Erbe verliert nicht die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim, wenn ihm die eigene Nutzung des Familienheims aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden. 

Hintergrund: Die vom Erblasser zuvor selbst genutzte Wohnimmobilie kann steuerfrei vererbt werden, wenn das Familienheim vom Ehegatten weitere zehn Jahre lang bewohnt wird. Erben Kinder oder Enkel (verstorbener Kinder), ist die Steuerbefreiung auf eine Wohnfläche von 200 qm begrenzt (der übersteigende Teil unterliegt der Erbschaftsteuer).

Sachverhalt
Die Tochter T hatte das von ihrem Vater V ererbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen. Im Anschluss wurde das Haus abgerissen. T machte geltend, sie habe sich angesichts ihres Gesundheitszustands kaum noch in dem Haus bewegen und deshalb ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können.   Für das Finanzgericht Düsseldorf war dies kein zwingender Grund für den Auszug, da sich T fremder Hilfe hätte bedienen können. Der Bundesfinanzhof hat das Urteil aber aufgehoben.

Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert.

„Zwingend“, so der Bundesfinanzhof, erfasst nicht nur die Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen (etwa die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung) genügen zwar nicht. Anders sieht es aber aus, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine weitere Nutzung so erheblicher Unterstützung bedarf, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung zu sprechen ist.

Das Finanzgericht muss nun unter Mitwirkung der T das Ausmaß ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen prüfen.

Quelle: BFH-Urteil vom 1.12.2021, Az. II R 18/20

Innergemeinschaftliche Lieferungen: Kehrtwende bei zu spät abgegebenen Zusammenfassenden Meldungen (ZM)

Kehrtwende der Finanzverwaltung: Eine zu spät abgegebene ZM hat doch nicht die finale Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung zur Folge.

Eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der EU (innergemeinschaftliche Lieferung) ist grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Dies gilt jedoch ab 2020 nicht, wenn der Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der ZM nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig abgegeben hat.

Nach § 18a Abs. 10 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine fehlerhafte ZM innerhalb eines Monats zu berichtigen, wenn der Unternehmer nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist. Bisher versagte die Verwaltung die Steuerfreiheit final, wenn keine ZM abgegeben oder eine fehlerhaft abgegebene ZM nicht innerhalb der Monatsfrist korrigiert wurde.

Nach der neuen Sichtweise gilt: Wird eine nicht fristgerecht abgegebene ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen in diesem Zeitpunkt erstmals die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor. Die erstmalige Abgabe und die Berichtigung einer fehlerhaften ZM innerhalb der Festsetzungsfrist entfalten für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung.

Allerdings schließt die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren ein Bußgeldverfahren durch das Bundeszentralamt für Steuern nicht aus.

Quelle: BMF-Schreiben vom 20.5.2022, Az. III C 3 – S 7140/19/10002: 011